“Rosenfelder Müller”

Wenn von der schaurigen Mordtat am “Italienerplatz” heute kein Bildstock mehr kündet, dann erinnert beim Lohhof, wenig abseits der Straße, ein eingelassener Mahlstein mit einem kleinen Kreuz an eine andere Bluttat, die an der Witthohstraße verübt wurde, an die Ermordung des 42jährigen Müllers Andreas Storz, gebürtig aus Tuttlingen, wohnhaft in Rosenfeld. Sein Vater war der Stadtmüller Andreas Storz, seine Mutter Anna Barbara geb. Manz. 1773 verheiratete er sich mit Maria Ursula, der Tochter des Johann Michael Martin, Brühlmüller. Das junge Paar erwarb sich eine Mühle bei Rosenfeld. Neben der Müllerei widmete sich Storz dem Handel mit Kernen (Dinkel).

Es war am Samstag, dem 26. April 1794. Da kehrte Andreas Storz von einer Geschäftsreise in die Schweiz zurück. Sein Fuhrmann war bereits zurückgekehrt, er selbst hatte noch andere Geschäfte vorbereitet und abgeschlossen. In seiner “Geldkatze” trug er rund 400 Gulden bei sich. Da er gebürtiger Tuttlinger war und auch seine Frau von hier stammte, war er auf der Hinreise schon in Tuttlingen im elterlichen Hause, der “neuen” Stadtmühle, eingekehrt. Ob man dort von seinen Geschäften gesprochen hatte, ob man von dem Fuhrmann einiges gehört oder ob es nur Zufall war, sicher ist das eine, daß auf dem Weg zwischen Biesendorf und Tuttlingen sich zwei übel aussehende Männer zu ihm gesellten. Sie waren ihm ja keine willkommene Reisegesellschaft. Aber sie gaben sich ganz von der Biedermannsseite, stellten sich als ehrsame Tuttlinger Bürger vor, der eine hieß Schönle, Ludes Sohn, der andere Koßmann, Hansjörgen Sohn, beide waren gelernte Messerschmiede. Sie sagten auch ihm, wer er sei. Da er schon seit über 20 Jahren in Rosenfeld im “Tal” eine eigene Mühle erworben hatte, kannte er die beiden Tuttlinger nicht. Denn in ihrer Heimat hatten sie keineswegs einen guten Leumund. Müßiggang und allerlei unsaubere Dinge hatten beide auf die schiefe Bahn gebracht. Das konnte Andreas Storz nicht wissen; er wäre ihnen gegenüber sonst wohl vorsichtiger gewesen. Als die beiden bestimmt wußten, wen sie vor sich hatten, schlug der eine von hinten mit einem Stein den Müller nieder, beide warfen sich auf den Gestürzten und brachten ihm durch Stiche in den Hals so schwere Wunden bei, daß sie ihn für tot liegen ließen. Sie nahmen ihm die Geldkatze ab und kehrten in die Stadt zurück. Das war abends zwischen 5 und 6 Uhr. Dort versteckten sie das Geld in einer Wasserstande hinter dem Haus. Der Müller Storz war aber nicht tot. Trotz des gewaltigen Blutverlustes brachte er es noch über sich, nach Tuttlingen zu kommen. Abends gegen 8 Uhr kam er in der Stadtmühle an. Sofort wurde Anzeige erstattet und noch am gleichen Abend konnte man die beiden Mörder dingfest machen. Sie hatten so sicher geglaubt, daß Storz tot sei, daß sie nicht einmal an Flucht dachten. Der Arzt hoffte zunächst, das Leben des Verwundeten zu erhalten. Einer der Stiche hatte aber den Schlund so verletzt, daß alles, was der Verletzte zu sich nahm, wieder zur Wunde heraustrat. So mußte er buchstäblich unter großen Schmerzen verhungern. Der große Blutverlust hatte den Körper schon zu sehr geschwächt. Am 9. Tage nach dem Überfall, am 5. Mai 1794, starb er, nachdem er noch von seinen sechs Kindern und seiner Frau, die von Rosenfeld herbeigekommen waren, Abschied genommen hatte. Er wurde in Tuttlingen begraben, seine Grabinschrift brachte die Tatsachen jenes Apriltages allen in Erinnerung, die Mörder aber wurden noch im gleichen Jahre, am 19. Dezember 1794, am Tuttlinger Hochgericht enthauptet, die Körper aufs Rad geflochten, die Köpfe auf den Spieß am Galgen gesteckt. Das war die letzte Hinrichtung in Tuttlingen selbst.

Das Hochgericht war “vor dem oberen Tor”. Das Tor war beim alten Oberamt (Obere Hauptstraße). Von dort ging die Straße nach Möhringen, nach der Schweiz, nach dem Bodensee und nach Neuhausen ab. Der heutige evangelische Kindergarten war das Schützenhaus, die jetzige Schützenstraße (samt Hohrain) die Straße nach Neuhausen. Wo dieser Weg an den Leutenberg stieß, also neben dem heutigen “Schützen”, stand auf der Höhe bei der Zeppelinstraße das Hochgericht, der Galgen. Das war auch “vor dem oberen Tor”.

Das Andenken an die beiden Messerschmiede, die so sehr auf Abwege geraten waren, ist erloschen, an den Rosenfelder Müller aber erinnert immer noch der Gedenkstein auf dem Witthoh. Dort in der Nähe verzeichnen die alten Karten das “steinerne Kreuz”. Windegg und Lohhof standen noch nicht, aber Tuttlinger Gebiet war es schon, auf dem das Furchtbare geschehen ist.

Interessanterweise stimmt das Datum direkt
auf dem Gedenkstein nicht mit dem auf der Gedenktafel und mit der Geschichtsschreibung in den Heimatbüchern überein. Glaubhaft dürfte aber der 26. April sein, weil weitere Details in der Aufklärung des Mordes und den dort genannten Daten darauf hinweisen.

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